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An Den Zeitgeist Anknüpfen – Hossein Rezvani

Von Ruth Eberhardt, Fotos von Hossein Rezvani und Marcus Witte

Hossein Rezvani gilt als der Mann, der den Perserteppich neu erfindet. Der Hamburger Designer mit iranischen Wurzeln knüpft an eine jahrhundertealte Tradition an und holt sie in die Gegenwart. Er verleiht der „Mutter aller Teppiche“, wie der Perser auch genannt wird, ein modernes Erscheinungsbild und bewahrt zugleich ein kulturelles Erbe. Jeder Teppich aus Rezvanis Kollektion ist ein Einzelstück, gefertigt in aufwändiger Handarbeit im Iran.

Aussergewöhnliche Ideen entstehen oft dann, wenn sie gar nicht erwartet werden. Oder wenn eine Frage im Raum steht, auf die niemand eine Antwort weiss. In einer solchen Situation blitzte vor einigen Jahren auch bei Hossein Rezvani ein Gedanke auf, der den Zeitgeist traf und Neues entstehen liess. Der studierte Betriebswirt, dessen Familie seit vier Generationen mit Teppichen handelt, sass mit Freunden beim Abendessen. „Alle fragten sich, wie das sein kann, dass die Mutter aller Teppiche keine Innovationen annimmt und Trends verschläft. Ich wusste es, ehrlich gesagt, auch nicht“, erzählt er. Die Frage liess ihn nicht mehr los – „bis ich nach ca. einer Woche zu meinem Vater ins Büro ging und sagte: Vater, wir müssen den Perser neu erfinden, ihm wieder Leben einhauchen! Er sagte nur trocken: Na dann mal los …“ So schildert Hossein Rezvani heute rückblickend den Dialog mit seinem Vater, der ihn in seinem Ansinnen vom ersten Tag an unterstützte.

„DER LANGE WEG HAT SICH GELOHNT“

Schon bald erkannte Hossein Rezvani auch, warum bisher niemand diese Idee hatte und weshalb sie so revolutionär war. „Sie müssen wissen: Der persische Knüpfer ist sehr stolz auf das, was er tut“, erklärt er. Jede Stadt habe ihr eigenes Muster, ihre eigene Geschichte und Tradition. „Mit dieser zu brechen, war das Hauptproblem!“ Es habe ein Jahr gedauert, bis 25 Knüpfer bereit waren, erste Muster von ihm umzusetzen. Doch sie hielten sich nicht an die Vorgaben. Da wurde aus einem rot-blauen Design schon mal ein gelb-grünes Farbspiel, weil der Knüpfer der Ansicht war, dass dies viel besser aussehe. „Es hat ca. zwei Jahre gedauert, bis wir Knüpfer fanden, die wirklich das getan haben, was wir wollten“, berichtet Rezvani und verweist darauf, dass der Iran kein Industrieland für Auftragsarbeiten sei. Es gehe mehr um die Familientradition als nur um einen Job. Kurzum: Es war „ein sehr langer und mühsamer Weg, der sich jedoch für uns alle sehr gelohnt hat“, sagt er. Heute beschäftigt er eigenen Angaben zufolge rund 500 Knüpfer, „die es kaum abwarten können, neue Designs zu bekommen“. Rezvani legt Wert darauf, dass diese unter guten Bedingungen arbeiten und ihr Einkommen über dem Durchschnittslohn liegt.

TRADITION NEU INTERPRETIEREN

Das Design seiner Teppiche entwirft der Hamburger selbst, hauptsächlich am Computer. Ein Zeichner überträgt dann per Hand jedes Detail auf Papier in Originalgrösse des Teppichs. Ideen für seine Muster bekommt Rezvani, der das halbe Jahr unterwegs ist, zu einem erheblichen Teil auf seinen Reisen. „Die Welt, in der wir leben, hat so unglaublich viel zu bieten. Das allein ist eine der grössten Inspirationsquellen.“ Die zweite wichtige Quelle seien klassische Teppiche. „Ich liebe antike Teppiche“, sagt Hossein Rezvani. In ihnen findet er häufig Grundmuster für seine modernen Designs. Getragen ist er dabei von der Überzeugung: „Ein Produkt, das so viel Geschichte und Tradition verbindet, sollte seine Wurzeln auch in der Neuinterpretation zeigen“, erklärt der Designer, der für seine Teppiche schon diverse Preise erhalten hat.

„DIE KNÜPFER SIND DIE WAHREN KÜNSTLER“

Während der Perser ein neues und frisches Erscheinungsbild bekommt, bleibt beim Herstellungsprozess alles wie seit vielen Jahrhunderten: Ein Rezvani-Teppich entsteht in reiner Handarbeit und in hoher Qualität. Verarbeitet werden feine Materialien wie Kork- und Hochlandwolle aus dem Iran und Seide aus China, gefärbt mit Naturfarben und geknüpft mit bis zu einer Million Knoten pro Quadratmeter. Das ist ausserordentlich viel. Deshalb arbeitet ein Knüpfer – je nach Grösse und Knotendichte – bis zu mehreren Monaten an einem Teppich. „Die Knüpfer sind für mich die wahren Künstler. Sie sind es, die meine Ideen realisieren“, sagt Rezvani. Sie sind alle in Isfahan zu Hause – eine Hochburg der Knüpfkunst im Iran und bekannt für aussergewöhnlich feine Teppiche. Rund 25 Mitarbeiter besuchen jeden Tag die Knüpfer, um zu sehen, ob sie Wolle, Seide, Scheren oder andere Materialien brauchen. „Wir sind eine grosse Familie, und nur wenn es allen gut geht, wird auch das Produkt gut“, ist der Hamburger Unternehmer überzeugt.

FEINGEFÜHL BIS ZUM SCHLUSS

Viel Feingefühl ist schliesslich noch in der Teppichwäscherei gefordert. Dort bekommt der Teppich seine finale Behandlung: Die restliche Wolle und Seide werden entfernt, die Seiten nochmals gesäumt und der Teppich getrimmt – alles per Hand. „Eine falsche Platzierung der Schere, zu viel Druck oder ein zu tiefes Eindringen kann monatelange Arbeit in nur Sekunden zerstören“, schildert Rezvani den letzten Schritt des Entstehungsprozesses: „Das ist für mich nach all den Jahren immer noch der heikelste Part.“

AUSDRUCK VON LEBENSGEFÜHL

Ein solcher Teppich ist mehr als ein Einrichtungsgegenstand oder Wohnaccessoire. Er drückt vielmehr ein Lebensgefühl aus. Für Hossein Rezvani haben Teppiche im Allgemeinen und die von ihm entworfenen Teppiche im Besonderen eine sehr persönliche Dimension: „Mit Teppichen verbinde ich Kindheitserinnerungen, Wärme und Geborgenheit, Erinnerungen an meine persischen Wurzeln und vor allem an das Land. Ein Teppich ist Ausdruck von Kultur, Geschichte, Tradition und Stolz. Der Teppich ist fest verankert in unserer jahrhundertalten Kultur“, sagt er und fügt hinzu: „Meine Teppiche verbinden die Tradition mit der Moderne. Ich bin in Deutschland geboren, jedoch ist Iran in meinem Herzen. Genau diese Kombination lebe ich, und ich versuche, dies auch in meinen Designs zum Ausdruck zu bringen.“

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