Die Schneidermeile im Herzen Londons ist von einer ganz besonderen Atmosphäre umgeben. Kein Wunder, schliesslich hat sie eine spannende Vergangenheit hinter sich. Wir geben Ihnen einen kleinen Eindruck vom bunten Treiben auf der „Row“!
Von Marie Malina
ALTES PFLASTER
Es war im späten 18. Jahrhundert, als sich die ersten Massschneider an der Savile Row niederliessen. Zuvor hatten in der Strasse hochrangige Militäroffiziere und deren Familien gewohnt, doch als Henry Poole 1846 sein Geschäft in der Old Burlington Street auf die Savile Row ausweitete, änderte sich das Gesicht des Viertels. Immer mehr Geschäfte folgten, hochrangige Schneider schlugen hier ihre Zelte auf – und blieben dort bis heute. Obwohl die Weltkriege für einen drastischen Einbruch des florierenden Handels gesorgt hatten, erstrahlte die Row schon 1952 wieder in neuem Glanz und entwickelte sich zu einer weltweiten Schneiderhochburg. Daran hat sich bis dato wenig geändert: So ist die Savile Row auch heute noch von traditionsreichen Unternehmen geprägt, deren talentierte Massschneider hier schon jahrzehntelang mit Nadel und Faden hantieren. Auch Henry Poole war gekommen, um zu bleiben. Bis heute erhält man an der Savile Row 15 hinter dem Schaufenster mit den grossen goldenen Buchstaben feinste Herrenmode nach Mass.
STRASSE DER STARS
Seit über 170 Jahren nun reiht sich also hier ein berühmter Name an den anderen. Henry Poole ist dabei nicht das einzige Familienunternehmen, das seit den Anfängen der Savile Row besteht: Auch Dege & Skinner an der Nummer 10 können diesen Titel seit 1865 für sich beanspruchen. Für Gieves & Hawkes schlossen sich gleich zwei Savile-Row-Unternehmen zusammen, deren Anfänge jeweils bis ans Ende des 18. Jahrhunderts zurück reichen. Ausserdem sitzen hier ein paar Designer, die sich durch ihre berühmte Klientel weltweit einen Namen machen konnten. So ist Sir Edwin Hardy Amies von Hardy Amies wohl am besten dafür bekannt, dass er als Hofschneider für Königin Elizabeth II. Ballkleider entwarf. Huntsman schneiderte in den 20er Jahren regelmässig für den Prinzen von Wales, Andrew Ramroop von Maurice Sedwell für Prinzessin Diana, und Kilgour kann Hollywoodstars wie Fred Astaire oder Cary Grant auf der Liste seiner Kunden für sich verbuchen. Neben diesen alteingesessenen Läden gibt es aber durchaus auch ein paar Neuankömmlinge, die bei ihrem Einzug teils kritisch von den traditionellen Savile-Row-Bewohnern beäugt wurden. Ozwald Boateng und Richard James etwa kamen in den 90ern auf die Row, und auch Alexander McQueen und Joseph eröffneten hier später eine Filiale.
Es ist also durchaus eine bunte Mischung, die ein Besucher an der berühmten Schneidermeile zu sehen bekommt. Wer nun von einem der luxuriösen Massanzüge träumt, sollte jedoch bereit sein, tief in die Taschen zu greifen: bis zu 60.000 Euro kann ein massgeschneiderter Anzug hier wert sein. Doch die Strasse umgibt eine ganz besondere Aura, und so lohnt es sich durchaus, auch ohne Kaufvorhaben beim nächsten London-Besuch einmal vor dem 5-Uhr-Tee die Savile Row entlangzuschlendern und sehnsuchtsvolle Blicke in die teuren Schaufenster zu werfen.