Kathryn Sargent schrieb Geschichte, indem sie als erste Schneidermeisterin ein eigenes Geschäft in der
prestigeträchtigen Londoner Savile Row eröffnete
Von Hilary Fennell
Kathryn Sargent wuchs in Leeds auf und war schon als Kind kreativ. Ihre Liebe zum Schneiderhandwerk entdeckte sie aber erst als sie an der University of Creative Arts in Surrey Mode und Design studierte.
„Ich wuchs inmitten einer Generation elegant gekleideter Herren auf, die sich vielleicht nichts aus der Savile Row leisten konnten, sich aber Mühe gaben“, so Sargent. „Das alles hat mich wohl irgendwie beeinflusst.“ 1996 begann sie mit ihrer Ausbildung beim Hofschneider Gieves & Hawkes. „Was mich an der Savile Row am meisten beeindruckte, war das Traditionsbewusstsein. Ich verliebte mich in das Schneiderhandwerk und die Tatsache, dass dabei langlebige und hochwertige Kleidungsstücke statt kurzlebige Wegwerfmode entstehen.“ Nach ihrer Ausbildung – „sie dauert drei bis fünf Jahre, aber man lernt nie aus“ – wurde sie 2009 die allererste Chefschneiderin bei Gieves & Hawkes. „Das war ein riesiger Erfolg, aber es war mir noch nicht genug.“
Die Savile Row gilt seit fast 200 Jahren als traditionelle Männerdomäne, und Sargent war sich bewusst, dass ihre Laufbahn als Schneidermeisterin nicht einfach werden würde. „Eine Frau zu sein war manchmal eine Herausforderung, aber ich beschloss, dass ich eine hervorragende Schneiderin werden und mich von meinem Geschlecht nicht zurückhalten lassen würde.“ Sargent erklärt, dass das Massnehmen bei Männern durch Frauen vielleicht mit einem gewissen Stigma behaftet ist, „aber man nimmt ja immer über der Kleidung Mass – das ist also kein Problem. Ausserdem gab es ja auch schon Ärztinnen bevor es Schneiderinnen gab.“
Das Verhältnis zwischen einer Schneiderin und ihren Kunden ist ein ganz besonders. „Sein Handwerk zu beherrschen ist eine Sache, man muss aber auch wissen, wie man mit Leuten kommuniziert. Ich genoss eine fantastische Ausbildung durch Robert Gieves, einem Schneider in fünfter Generation. Es dauerte aber eine ganze Weile, bis ich verstand, dass er mir auch mit auf den Weg geben wollte, dass ich nicht wie meine Kunden sein, sondern sie lediglich verstehen musste.“
Sargent machte sich in der symbolträchtigen Strasse selbstständig. Inzwischen ist sie in ein Atelier in der Brook Street umgezogen, wo sie massgeschneiderte Kleidung für Männer und Frauen fertigt. Tief verwurzelt in der altbewährten Schneidertradition der legendären Savile Row, verbindet sie typisch britischen Stil mit einer frischen, zeitgemässen Vision. Die Preise (einschliesslich Mehrwertsteuer) beginnen bei £4’900 für einen Anzug und £4’260 für einen Mantel.
„Ich habe Kunden aus aller Welt, die nach Terminabsprache zu mir kommen. Ausserdem reise ich auch dreimal im Jahr in die USA.“
Als Sargent Mitte der 1990er Jahre die Schneiderlaufbahn einschlug, bekam sie von der älteren Generation zu hören, dass dieses Handwerk nicht mehr lange bestehen würde. Tatsächlich hat die Schneiderkunst aber einen gewissen Aufschwung erlebt.
„Ich glaube, die Leute wissen, wofür die Savile Row steht, auch wenn sie vielleicht nicht genau wissen, wo sie ist. Sie wissen, dass es sich hier um britische Handwerkskunst, Qualität, Tradition, Dienstleistung… und natürlich Diskretion handelt.“