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Als der Polosport Aufs Eis Ging

Die Erfolgsgeschichte von St. Moritz

Von Lutz Deckwerth, Fotos vom St. Moritz Polo Club

Der 26. Januar 1985 wird Reto Gaudenzi für immer in Erinnerung bleiben. Ein Schneesturm drohte, das weltweit erste Snow Polo Turnier auf dem zugefrorenen St. Moritzersee zu verhindern. Zwei Jahre hatte der ausgewiesene Hotelier und heutige Präsident von Worldpolo und Gründer und CEO des Snow Polo World Cup St. Moritz auf dieses Ereignis hingearbeitet. „Es hatte die ganze Nacht geschneit und das Polofeld war unter dem Neuschnee nicht mehr zu erkennen“, erinnert sich Reto Gaudenzi. Für grosse Schneeräummaschinen war die 40 Zentimeter dicke Eisdecke zu dünn. Doch Polospieler sind Kämpfer. Das Organisationsteam konnte zwei Dutzend Freiwillige aus der Umgebung mit kleinen Schneefräsen aktivieren und nach sechs schweisstreibenden Stunden war ein Feld von 40 auf 80 Meter freigeräumt. Die Weltpremiere des Snow Polo konnte beginnen.

Geburtsstunde des weltweit prestigeträchtigsten Winter-Poloturniers

Doch bis dahin war es ein weiter Weg, erinnert sich Reto Gaudenzi. „Es gab überall Hürden. Und natürlich war es zu Beginn auch schwierig, das Turnier zu finanzieren. Die Gemeinde hat nein gesagt, aus der öffentlichen Hand haben wir also nichts bekommen.“ Doch der gut vernetzte Hotelier konnte den Luxusuhrenhersteller Cartier als Hauptsponsor gewinnen. „Ein Engagement, das sich für beide Seiten bewährt hat“, ergänzt Reto Gaudenzi. Seit mittlerweile 35 Jahren spielen die Teams in St. Moritz um die Cartier Trophy. Mit einem Budget von hunderttausend Schweizer Franken startete das Projekt Snow Polo auf dem gefrorenen St. Moritzersee.

Zwei Tage lang wurde das Turnier mit Spielern aus Argentinien, Indien, der Schweiz, Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgetragen: ein Spiel täglich, mit jeweils 1‘000 Zuschauern und bei freiem Eintritt. Heute liegt das Budget für das grösste Snow Polo Turnier bereits bei zweieinhalb Millionen Schweizer Franken. Und 20‘000 Zuschauer und 4 Weltklasse-Poloteams sind dabei.

Die Vorbereitungen laufen das ganze Jahr auf Hochtouren

„Nach dem Poloturnier ist vor dem Poloturnier“, sagt Reto Gaudenzi. „Wir akquirieren das ganze Jahr über Sponsoren. Das Ticketing, das Marketing, die Planung und die Pressearbeit laufen ständig. Und wenn der See gefroren ist, etwa einen Monat vor dem Event, fangen wir an mit dem Aufbau der Infrastruktur.“ Circa hundert Fachkräfte bauen – oft bei kaltem und windigem Wetter – das Polofeld, die Tribünen, Betreuungs-, Küchen- und Catering-Zelte, sanitäre Anlagen, Pferdezelte, Kindergarten, Läden, Heizungen, Beschallung, Beleuchtung etc. auf. Das sind einige zehntausend Tonnen an Material, die auf das Eis gebracht werden müssen. Denn inzwischen kommen jedes Jahr etwa 20‘000 Zuschauer, um ein einzigartiges sportliches Spektakel vor der atemberaubenden Kulisse der Engadiner Berglandschaft zu sehen. „Wir bauen dafür eine Stadt auf dem See“, sagt Reto Gaudenzi nicht ganz ohne Stolz. „Da sind vom Elektriker über den Zeltbauer, Caterer, Küchenbauer, Pistenpräparierer, Tribünen-, Stahl- und Heizungsbauer bis hin zu Dekorateuren alle Gewerke dabei.“ Sie alle arbeiten für ein Ziel: das dreitägige Polo-Turnier on Snow am letzten Wochenende im Januar. „Und wenn dann noch das Wetter mitspielt“, sagt Reto Gaudenzi, „erleben die Besucher einen tiefblauen Himmel über der Kulisse der verschneiten Bergwelt. Und auf dem Spielfeld glitzern die von den galoppierenden Hufen aufgewirbelten Schneekristalle.“

The founder is back

Dass St. Moritz seit 35 Jahren ein jährliches Poloturnier veranstaltet, ist keine Selbstverständlichkeit. 15 Jahre lang organisierte die Pioniermannschaft um Gaudenzi das Turnier und etablierte es als gesellschaftlich und sportlich bedeutendes Treffen der weltweiten Pologemeinde. „Es ist immer wichtig, dass du ein gutes Team hast. Polo kann man nicht alleine organisieren, das ist wie Polo spielen“, erzählt Reto Gaudenzi. 1999 gaben er und sein Team die Verantwortung in neue Hände und freuten sich auf den weiteren Erfolg ihrer Initiative. Nach der Austragung 2014 stand das Turnier jedoch ohne Veranstalter da und schaute deshalb einer ungewissen Zukunft entgegen. Reto Gaudenzi, der heute weltweit Poloturniere organisiert, musste schnell handeln: „Die Unsicherheit über die Zukunft dieses sportlichen und gesellschaftlichen Spitzenevents liess uns keine Ruhe. Wir haben die Marke ‚Snow Polo Weltcup St. Moritz‘ registriert und sie der Gemeinde geschenkt.“ Zusammen mit weiteren Schweizer Polofreunden gründete er dann die Evviva Polo St. Moritz AG – mit 60 gutbetuchten und am Polosport interessierten Aktionären – und feierte sein Comeback als Organisator „seines“ Turniers. Damit stand das Turnier wieder auf einer soliden finanziellen Basis. Die 31. Austragung stand dann auch passend unter dem Motto „The founder is back“, und dank der vielen Routiniers um den „Godfather of Polo“ klappte alles reibungslos. Insgesamt über 15‘000 Besucher machten das Turnier zum grossen Publikumserfolg. „Wenn Sie ein Event dieser Grössenordnung organisieren, müssen Sie Dienstleister sein“, sagt Gaudenzi, „das heisst, Sie organisieren das zum Spass von anderen.“ Die entspannte und familiäre Atmosphäre beim Turnier 2015 stiess auf besonders positive Resonanz. „Ich glaube, das war das Wichtigste, dass wir mit Herzblut und natürlich auch mit Know-how und einer super Crew von Professionals und Freiwilligen an die Organisation dieses Megaevents herangegangen sind.“ Heute ist das Turnier zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. „Der Snow Polo World Cup St. Moritz generiert über 10 Millionen Schweizer Franken Wertschöpfung für die Gegend“, erklärt Reto Gaudenzi

„Ich bin seit 40 Jahren im Polo-Business“

Der Lebenslauf von Reto Gaudenzi ist eng mit der Geschichte von St. Moritz verknüpft. Aufgewachsen ist er in Silvaplana im Engadin, gleich um die Ecke von St. Moritz. „Meine Familie lebt dort bereits seit 700 Jahren“, sagt der Schweizer. Über die Handelsschule, eine Kochlehre und die Hotelfachschule in Lausanne wurde er Hotelier. „Ich habe Betriebe auf der ganzen Welt geführt, unter anderem das Badrutt’s Palace Hotel in St. Moritz, das Schlosshotel in Berlin, das InterConti, den Schweizerhof usw.“ Der Hotelier war neben seinem Job aber auch immer Spitzensportler. Er hat Eishockey gespielt, ist Bob gefahren, war in der Schweizer Nationalmannschaft im Bobfahren, hat 1978 mit dem Polospielen angefangen und gründete später die Schweizer Nationalmannschaft. „Ich habe Poloturniere auf der ganzen Welt gewonnen, unter anderem 11 Mal die deutsche Meisterschaft. Polo ist meine Passion und zu meinem Business geworden.“ Inzwischen schaut er auf 40 Jahre Polo-Business und auf mehr als 100 erfolgreich organisierte Poloturniere zurück. Über sein Verhältnis zu Pferden sagt er: „Pferde sind neben Frauen die faszinierendsten Geschöpfe der Welt.“ Seine Liebe zu den Vierbeinern und dem Polosport hat er an seine Kinder weitergegeben. Sohn Tito spielt selbst Polo und organisiert Turniere, wie zum Beispiel in Kitzbühel oder das Beach Polo Turnier in Miami. Auch Tochter Carolina (Musikerin) und seine zweite Ehefrau Irina sind bei den Poloevents gern gesehene Gäste. Für Reto Gaudenzi und seine Familie ist ein Leben ohne den Polosport nicht vorstellbar.

Reto Gaudenzi als Botschafter des Polosports in Aserbaidschan

Es gibt weder ein archäologisches Beweisstück noch ein historisches Dokument, das den Ursprung des Polosports belegen kann. Doch Forscher gehen davon aus, dass die Entstehung des Sports auf die Zeit um 1000 v. Chr. in Persien zurückgeht. Durch das Persische Reich breitete sich Polo in ganz Asien aus und gelangte um 1850 über Indien mit den britischen Truppen in die westliche Welt. Englische Rancher brachten Polo zusätzlich auch nach Südamerika. Und durch den Erfinder von Polo on Snow, Reto Gaudenzi, kommt der Sport – wenn man es genau betrachtet – wieder zurück in die kaukasische Republik Aserbeidschan. „Ich habe den Polosport dort mit Elcin Guliyev und Bahruz Nabiyev aufgebaut. Wir haben Pferde und Spieler hingebracht, haben sie trainiert, zwei Stadien gebaut und organisieren seit 6 Jahren ein grosses Turnier.“ Aserbaidschan ist 2013 in die FIP (Federation of International Polo) eingetreten und investiert sehr viel in den Sport, um Imagewerbung für das Land zu machen.

„Aserbaidschan ist ein Pferdeland. Der Polosport kommt ursprünglich von dort“, erklärt Reto Gaudenzi. „Ich habe einen Vertrag mit dem ARAF, dem Reitsportverband des Landes, und bin Botschafter des Polosports für Aserbaidschan.“ Für Reto Gaudenzi ist dies eine befruchtende Zusammenarbeit. Aserbaidschan entsendet zum Beispiel ein Team nach St. Moritz und die Schweizer nehmen an Turnieren in Aserbeidschan teil. Mit dem Elite Horse and Polo Club in Baku gibt es zudem den ersten Polo Club des Landes, der bereits eine Indoor- und eine Outdoor-Arena betreibt. „Wir werden dort in den nächsten Jahren eine Infrastruktur haben, die es auf der Welt kein zweites Mal gibt“, verkündet Reto Gaudenzi stolz. Jedes Jahr findet in Aserbaidschan der Arena Polo Weltcup statt. Und 2020 wird das Land die FIP Europameisterschaften ausrichten.
„Gott muss ein Polospieler sein!“, soll Reto Gaudenzi einmal gesagt haben, als das Wetter ihn in St. Moritz nicht in Stich liess. Diesen Satz könnte man aber auch auf die Erfolgsgeschichte des Polosports weltweit beziehen. Und da ist es ganz gleich, welcher Gott gemeint ist.

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