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Als die Pferde fliegen lernten

Polopferde über den Wolken

Von Lutz Deckwerth, Fotos von Filet Film

Es ist ein muskulöses, fast quadratisch gebautes Pferd, und im Mittel wird es 156 Zentimeter gross. Ein argentinisches Polopferd kann sogar ein Stockmass von über 180 Zentimetern erreichen. Argentinien, das erst im vorigen Jahrhundert zum Polosport fand, ist heute das Hauptzuchtgebiet der Polopferde. Die verbreitetste Rasse beim Polosport, das argentinische Polopony, wurde durch die Kreuzung von englischen Vollblütern mit Criollos, einer südamerikanischen Warmblutrasse, speziell gezüchtet. Es verbindet die Ausdauer und Belastbarkeit des Criollo mit der Kraft und der Schnelligkeit des Vollbluts und ist wegen seiner Wendigkeit hervorragend geeignet für das Polospiel. Inzwischen gibt es in Argentinien 24‘000 registrierte Zuchtstuten und 7‘700 Zuchthengste. Es gibt auf der Welt kaum ein Poloturnier, bei dem nicht das „Polo Argentino“ auf dem Feld steht. Dafür müssen die so begehrten Vierbeiner oft aussergewöhnliche Reisestrapazen auf sich nehmen.

Argentinische Polopferde beim Arena Polo World Cup Aserbaidschan

Im April 2008 öffnete am Frankfurter Flughafen die Animal Lounge ihre Pforten. Mit 3‘750 Quadratmetern ist sie die grösste und modernste Tierstation der Welt: 42 Grosstierställe, 12 individuell einstellbare Klimakammern und 39 Kleintierboxen. Die Animal Lounge in Frankfurt ist eine Art 24-Stunden-Motel für tierische Passagiere. Hier warten 15 Polopferde aus Argentinien auf den Check-in nach Aserbaidschan. „Sind ganz coole Typen und freuen sich immer, stehen hier, haben Wasser, Futter, sind zufrieden und ganz geduldig“, sagt Christiane Rohe, Tierpflegerin in der Animal Lounge. Am Frankfurter Flughafen heben jedes Jahr mehr als 100 Millionen Tiere ab: Hunde, Katzen, Fische, Löwen und diesmal auch 15 argentinische Polopferde. Die Vierbeiner haben bereits 15 Stunden Flug von Argentinien nach Deutschland hinter sich und müssen hier für 24 Stunden in Quarantäne, bevor es weitergeht nach Aserbaidschan.

Vor der Animal Lounge warten bereits die argentinischen Pferdepfleger – die so genannten Grooms. Sie betreuen und trainieren die Polopferde und schlafen bei einer Flugreise sogar mit ihnen in den Boxen. Jetzt müssen sie in der Animal Lounge helfen. Eines der Tiere ist aggressiv. „Das ist ein Mittel zur Beruhigung. Wir geben es ihm ins Maul und werden sehen, was passiert, denn er dreht gerade ein bisschen durch“, erklärt der mitgereiste argentinische Veterinär Ignacio Campos Carles. Schnell beruhigt sich das Polopferd mit dem Namen Chivilcoy und wartet auf seinen Weiterflug.

Zwei Trucks, 15 Polopferde, 5 Betreuer und 120 Kilometer

Die 15 Polopferde müssen jetzt mit einem Spezialtransporter von Frankfurt am Main zum Weiterflug nach Frankfurt/Hahn und dann als Hauptakteure zum Polo-Weltcup nach Aserbaidschan geflogen werden. „In Argentinien reisen Sie mit diesen Tracks von Feld zu Feld, von Farm zu Farm, um Polo zu spielen. Sie wissen, wie es geht. Das ist wie Taxifahren für die Pferde“, sagt der argentinischer Polospieler Simon Crotto, der die Pferde begleitet. Die ganze Verladung dauert nur dreissig Minuten. Jeder Handgriff sitzt und die Tiere kennen den Ablauf. Zwei Trucks, 15 Polopferde, 5 Betreuer, eine Wegstrecke von 120 Kilometern auf Autobahn und Landstrasse und eine Fahrzeit von einer Stunde und zwanzig Minuten. Die argentinischen Betreuer haben ihre Pferde via Monitor ständig im Auge. Und auch die erfahrenen Truck-Fahrer wissen, worauf es ankommt.

Im Cargo Center am Flughafen Hahn warten spezielle Flugboxen auf die Polopferde. Die Wände sind gepolstert, der Boden mit Holzspänen ausgelegt. Die härtesten Pferde der Welt reisen erster Klasse. Der argentinische Polospieler Simon Crotto weiss, worauf es ankommt: „Drei Pferde kommen in eine Box. Wir haben fünf Boxen. Und die sind sehr gut. Da sind Wände zwischen den Pferden, damit die Tiere nicht miteinander kämpfen können. Sie werden darin fressen und Wasser trinken, bis wir in Baku sind.“ Jede Box wiegt mit Pferd drei Tonnen. In den speziellen Flugboxen geht es jetzt für die Pferde direkt auf das Rollfeld. Dort wartet eine Frachtmaschine vom Typ Boeing 747. Der gesamte Transport ist eine logistische Meisterleistung. Peter Grimm von Intership Horse Transport weiss, wie viele Menschen am guten Gelingen beteiligt sind: „Ich habe mal versucht, es auszurechnen. Also ausgehend von Argentinien, wo es alles anfängt, komme ich vom Veterinär und das Labor über die Amtstierärzte, den Transport zum Flughafen, den Agenten in Argentinien, die Zollabfertigung, das Ministerium und so weiter bis hin zu den Begleitern und den Leuten, die das Handling der Maschine übernehmen, auf weit über hundert Arbeitsplätze.“ Eines ist sicher: Das Fliegen müssen die argentinischen Polopferde nicht mehr lernen. Sie haben schon Reiter auf allen Kontinenten zum Sieg geführt.

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